Osterholz-Scharmbeck. Obwohl personell und inhaltlich tief in der Region verwurzelt, sind Versengold den örtlichen Spielgelegenheiten längst entwachsen: Üblicherweise spielt das Sextett, das mit seinen beiden jüngsten Albumveröffentlichungen Spitzenpositionen in den deutschen Charts erklimmen konnte, auf Tourneen und Festivals vor mehreren Tausend begeisterter Fans.
So ist es schon fast den gegebenen Umständen dieses Jahres zu verdanken, dass vor allem heimische Fans – doch weitaus nicht nur diese – am Sonnabend in den Genuss kamen, die mittelalterlich geprägten Folkrocker im relativ überschaubaren Ambiente der Veranstaltungsreihe „Frischluftkultur“ zu erleben – zumindest jene 500, die noch eine Karte im Vorverkauf erhielten. „Wir hätten das Konzert locker zweimal ausverkaufen können“, bekräftigte Stadthallenmitarbeiterin Anja Brauner die immense Nachfrage.
So zeigte sich das Areal auf dem Stadthallengelände nicht nur bis auf den letzten Platz ausverkauft, sondern trotz der vorherrschenden Gegebenheiten mit Sitzplatzpflicht und Sicherheitsabständen sogar von einer Art Festivalatmosphäre erfüllt. Schließlich erspielten sich Versengold über die Jahre ein ebenso treues wie feierfreudiges Publikum, das die Band schon vor Konzertbeginn ungeduldig auf die Bühne klatschte und des lautstarken Mitsingens samt hochgereckten Armen über den gesamten Abend nicht müde wurde – auch wenn auf den eigentlich obligaten Veitstanz aus bekannten Gründen ausnahmsweise verzichtet werden musste.
So zeigte sich das Sextett um Sänger Malte Hoyer motiviert bis in die Haarspitzen und eröffnete fulminant mit goldenem Konfettiregen – beileibe nicht dem einzigen an diesem Abend – und dem schon fast programmatischen Titel „Durch den Sturm“ vom jüngsten Album „Nordlicht“, das einen zentralen Punkt innerhalb des Konzertprogramms einnahm. „Das ist unser erstes richtiges Konzert in diesem Jahr, das nicht vor Autos oder Kameras stattfindet“, erklärte der Osterholz-Scharmbecker Malte Hoyer den zahlreich erschienenen Fans, Freunden und Familienmitgliedern. „Nur ein paar Meter von hier habe ich zu Beginn der 2000er-Jahre eine Taverne im Kulturzentrum Kleinbahnhof initiiert und dort auf den Tischen auch bereits die ersten Versengold-Lieder zum Besten gegeben“, blickte Hoyer zurück. Dort lernte er auch den nicht nur mit furiosem Geigenspiel, sondern außerdem mit unermüdlichem Dauergrinsen und freundlichen Frotzeleien aufwartenden Florian Janoske kennen, der das damalige Einstiegsangebot als überzeugter Punkrocker jedoch zunächst ablehnte und erst fünf Jahre später zur Band stieß.
Auch die weiteren Versengold-Mitglieder erinnerten sich im weiteren Konzertverlauf an Auftritte im KUZ oder auf dem Osterholzer Stadtfest – mit ihren damaligen Bands wie Brazen faced und den Optikhelden. Auch der Einfluss von Ulrich Wortmann und den nahegelegenen „Farida Studios“ kam zur Sprache, ebenso weitere personelle Verbindungen: So spielt Wortmann nicht nur mit drei Versengold-Mitgliedern in der Formation Knasterbart, sondern auch mit Hoyers Bruder Tjalf bei der Gruppe Afterburner. „Es ist hier eben alles irgendwie eine Soße“, kommentierte Hoyer lachend die fast schon familiäre hiesige Musikszene.
So war es kaum erstaunlich, dass diesen Konzertabend in allen Belangen eine Aura des Besonderen und quasi Einmaligen umgab und Band und Publikum sich ohne Pause über zwei Stunden zu gegenseitigen Hochleistungen anspornten, bei der auch die hiesige Historie eine Rolle spielte. Ereignisse wie die „Weihnachtsflut“ von 1717, das Teufelsmoor und dessen schillernde Figuren wie beispielsweise der „Rote Gerd“ stellen nach wie vor wichtige Inspirationen für die teils melancholischen, aber überwiegend beschwingten und stets eingängigen Versengold-Lieder dar und werden von Hoyer auch entsprechend anmoderiert.
Trotz ihres verdienten Erfolgs zeigen sich die Musiker auch heute noch ebenso bodenständig, ungekünstelt und nahbar wie seinerzeit bei Auftritten im KUZ und geizen nicht mit Dank – nicht nur ans Publikum, sondern auch an alle Crewmitarbeiter, Techniker und weitere Helfer „hinter den Kulissen“: „Wenn dies für uns schon eine schwere Zeit ist, dann für diese Menschen erst recht“, betonte Hoyer am Ende eines Konzertabends überschäumender Lebensfreude mit einem Quäntchen Schwermut. (Christian Pfeiff)