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05.02.2024

Jürgen von der Lippe / 03.02.2024

Osterholzer Kreisblatt vom 05.02.2024

Lesung in der Stadthalle

Jürgen von der Lippe bringt sein Publikum in der ausverkauften Stadthalle zum Lachen und zum Nachdenken

Osterholz-Scharmbeck. Wenn sich Jürgen von der Lippe ankündigt, ist gute Laune programmiert. Am Sonnabend stellte er sein neues Buch „Sex ist wie Mehl“ in der Stadthalle Osterholz-Scharmbeck vor. Als der Star des Abends die Bühne vor ausverkauftem Haus betritt, ist ihm ein tosender Applaus gewiss. Viele treue Anhänger sind ihm zur Bühne in den Ort gefolgt. Der 75-jährige Entertainer – bekannt unter anderem für seine Hawaii-Hemden – beginnt mit einer Begrüßung an den Auftrittsort Osterholz-Scharmbeck. Diese erfolge, wie er selber betont, „nüchtern“; es gehe ihm nur darum, dass seine Zuschauer wissen, dass er weiß, wo er sei. Eine vielsagende Anspielung auf sein eigenes Alter und mögliche Gebrechen.

Ein paar Scherze über die Bahnlinie und den Standort der Stadthalle kann sich der Komiker nicht verkneifen. „Hier fährt ja nur alle Stunde ein Zug. Das merkt niemand bei einem Open-Air-Konzert“, sagt von der Lippe, der draußen vor der Halle im September 2020 ein Freiluftgastspiel hatte. An seinem Lehrerpult sitzend, beginnt er sein Programm vor ansonsten schlichter Kulisse mit dem Thema „Gendern“.

Gegen Anpassungsdruck

Erwartungsgemäß nimmt der Protagonist dabei kein Blatt vor den Mund. Seine Aussage, es handele sich um eine „Verhunzung der deutschen Sprache“ sei, wird mit großem Beifall aufgenommen. Dazu bekräftigt er, er werde sich keiner gesellschaftlichen Anpassung hingeben, nur weil Minderheiten etwas forderten. Diese finde man in allen möglichen Bereichen des Lebens und nicht immer könne man nachgeben oder unterstützen. Sonst könne sich jeder hinstellen und etwas verlangen, weil er sich benachteiligt fühlt.

Während von der Lippe zum Thema „Phobien“ übergeht und sein Publikum über weitgehend skurrile Ängste aufklärt, ist die Stimmung nach wie vor ausgelassen. Es gibt Zwischenrufe aus den Reihen, die mit lautem Lachen belohnt werden. Die Information etwa, dass es eine Phobie gegen Schwiegermütter gebe, kommentiert ein Zuschauer mit dem Zuruf „Wer hat die nicht?“. Der Mann die Lacher auf seiner Seite. Dass sich die Gäste mit einbringen, soll auch den Abend über so bleiben. Der Verlauf ist geprägt von sogenanntem Crowdworking: Zwischenrufen und einem guten Miteinander zwischen Bühne und Fans.

Doch nicht alle Scherze kommen gleich gut an, wie Monika Büscher aus Ganderkesee feststellt. Sie fühle sich sehr gut unterhalten und freue sich über die ironischen und politischen Statements, so die Besucherin. „Ich denke, nicht jeder versteht die versteckten Anspielungen. Das ist schade und ich denke, dass Jürgen von der Lippe das auch merkt.“ Tatsächlich sind in der ausverkauften Stadthalle verschiedene Stimmen zu hören. Einige Besucher zeigen sich in der Pause begeistert und freuen sich auf die weitere Lesung, während andere sich zurückhaltend äußern und sich mehr erhofft haben.

Dass es kaum etwas gibt, wovor der Entertainer Halt macht, ist seinen Anhängern klar. So spricht er von Skandalen, die um die Welt gingen, und bringt ernste Themen mit Humor auf den Tisch. Er spricht über sexuelle Übergriffe in der Kirche und im Sport und zieht komödiantische Vergleiche. Vereinzelt kommt Applaus aus den Reihen, doch nicht jeder fühlt sich wohl bei dieser Thematik. Ist das zum Lachen, was von der Lippe da aufspießt? Eine Verunsicherung ist spürbar.

Oft spricht der Humorist und Moderator sein Publikum direkt an. Wer sich in Latein, Griechisch oder Italienisch noch nicht auskennt, darf eine kleine Lehrstunde nehmen. Auf die Frage, wer Griechisch spreche und den Anfang der „Odyssee“ von Homer wiedergeben könne, meldet sich ein Zuschauer. Mit dessen Antwort ist der Entertainer allem Anschein nach nicht zufrieden. Sein schlagfertiger Konter wird mit Lachen und Applaus belohnt. Die Gäste werden daraufhin mit Redewendungen und Beleidigungen in verschiedensten Sprachen „belohnt“. Von Spanisch bis Hebräisch ist alles dabei.

Gekonnt leitet er seine Witze und Witzeleien in neue Themenbereiche über. Ob Tierreich oder Altenheim: Während der Bühnenkünstler erzählt, nimmt er sich häufig auch auf die Schippe und zieht Vergleiche zu sich selbst. Ein Merkmal, das ihn auf viele Besucher sympathisch  wirken lässt, wie in der Pause zu hören ist.

Auf sich und andere achten

Einige Zuschauer loben den Umgang mit sonst oft tabuisierten Suchtproblematiken, ob im Sport, beim Alkohol- und Drogenkonsum oder im Glücksspiel. Jürgen von der Lippe bringt die geschickt verpackte Botschaft unter die Leute, aufmerksam zu sein und auch ein Nein“ von ihren Mitmenschen anzunehmen. Seiner Meinung nach würden viele Betroffene durch ihr Umfeld in eine Sucht gedrängt oder unbewusst darin bestärkt. Wer bei einem Glas Alkohol ablehnt, sollte nicht immer wieder zum Mittrinken aufgefordert werden. Was den Sport angeht, führe der den menschlichen Körper bisweilen an die Grenze. Auch das sollten alle mehr auf sich und ihre Umgebung achten. Der Nachdruck in seiner Stimme wird an dieser Stelle sehr deutlich.

Dass sein Buch mit aktuellen Glossen und Geschichte an diesem Abend nicht an einem Merchandise-Stand erhältlich sei, bedauert er sehr. Mit einem Seitenhieb auf die Möglichkeit der Online-Bestellung, bittet von der Lippe explizit darum, sich bei Interesse an die Buchhandlung vor Ort wenden.