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03.09.2018

Element of Crime / 01.09.2018

Osterholzer Kreisblatt vom 03.09.2018

Song-Gedichte zum Zuhören

Open-Air-Konzert von Element of Crime lockt 3000 Besucher auf das Stadthallengelände

Osterholz-Scharmbeck. Es ist keinesfalls abwegig, die Berliner Band Element of Crime um den gebürtigen Bremer Sven Regener als ein Phänomen innerhalb der deutschsprachigen Popkultur zu bezeichnen. Sowohl ihre zwischen Pop, Rock, Jazz und zahlreichen weiteren Zitaten und Versatzstücken oszillierenden Kompositionen als auch die eigensinnigen Verse Regeners bewegen sich fernab dessen, was im Rundfunk oder Fernsehen aktuell als Mainstream bezeichnet werden kann. Sind die Melodien im Regelfall in einem melancholischen Grundtenor gehalten, so besteht der inhaltliche rote Faden der Texte vornehmlich aus den Schattenseiten des ewig jungen Themas Liebe.

Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – erfreut sich die etwas kauzige Band, die auf der Bühne mit einem Saxofonisten und Akkordeonisten als Sextett agiert, einer loyalen und überaus treuen Fangemeinde, was sich am Sonnabendabend auch auf dem Open-Air-Gelände neben der Stadthalle zeigte. Nachdem die zweite Vorband Isolation Berlin ihren Auftritt beendet hatte, vermeldeten Stadthallen-Prokurist Matthias Renken und Konzertveranstalter Oliver Mücke von der Agentur Koopmann Concerts bereits einen Zwischenstand von 2850 Besuchern. „Und ein paar kommen immer noch nach.“

Die Konzertgäste hatten zum Teil weite Wege auf sich genommen und waren unter anderem aus Hamburg, Kassel oder Bochum angereist. Immerhin ist die bevorstehende Hallentournee zu dem im Oktober erscheinenden Album „Schafe, Monster und Mäuse“ noch ein wenig entfernt; und die Gelegenheiten, Element of Crime unter freiem Himmel erleben zu können, sind derzeit sehr rar gesät.

Vielen Konzertbesuchern dürfte es daher ähnlich ergangen sein wie Frontmann Regener selbst: „Es gibt immer noch so Orte, an denen man noch nie gespielt hat, zum Beispiel Osterholz-Scharmbeck“, konstatierte er direkt zur Begrüßung – und das, obwohl seine Geburtsstadt nur wenige Kilometer entfernt liegt. Den Nachmittag vor dem Konzert hatte Regener für einen Besuch bei seiner Mutter genutzt und war dabei nicht etwa mit einer Limousine, sondern mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen.

Nein, als Popstars im herkömmlichen Sinne kann man Element of Crime wahrlich nicht bezeichnen. Die Bandmitglieder können sich nicht nur entspannt in der Öffentlichkeit bewegen, ohne auf beständiger Hut vor Paparazzi sein zu müssen; auch ihre Konzerte verlaufen ein wenig anders: Als die Hauptband des Abends die Bühne betritt, erfolgt mitnichten ein drängender Massenansturm in Richtung Bühne, auf der ohnehin nicht allzu viel passiert – sieht man einmal von Regeners Entertainer-Qualitäten ab, die er in den Ansagen mit hanseatisch-berlinesker Kodderschnauze ebenso zeigt wie während der Stücke seine Fähigkeiten als Gitarrist und Trompeter.

Neben Schlagzeuger Richard Pappik verbringt auch Bassist David Young seinen gesamten Bühneneinsatz komplett im Sitzen, auch ihre Bandkollegen profilieren sich ausschließlich instrumental und nicht durch überbordenden Bewegungsdrang. Ein expressiver Bühnengestus würde ohnehin ebenso wenig zu der häufig balladesken und überwiegend melancholisch gehaltenen Musik von Element of Crime passen wie ausgelassene Feierstimmung im Publikum, zumal auch dessen Altersdurchschnitt an diesem Abend etwas höher anzusiedeln ist als bei anderen Veranstaltungen, die das Signum Pop tragen.

Statt Mitwippen und Mitklatschen manifestieren sich die Begeisterung und Dankbarkeit der Zuhörer, die sich großflächig und mit Ellenbogenfreiheit um die Bühne versammelt haben, im nahezu andächtigem Verfolgen der Bühnendarbietung inklusive stets lang anhaltendem Song-Applaus. Passend dazu herrscht während der Veranstaltungsdauer auf dem gesamten Gelände eine friedliche, respektvolle Atmosphäre unter allen Anwesenden.

Regener wirkt bei alledem gut gelaunt, bisweilen kumpelig und selbstironisch. Als begnadeter Lyriker zeigt er sich in den Songs, die er mit seiner über die Jahre etwas schartig gewordenen Stimme intoniert. Der 57-Jährige scheint auf einem guten Wege, in nicht allzu ferner Zukunft als eine Art „deutscher Tom Waits“ rezipiert zu werden.