Tickets
17.11.2017

Bodo Wartke / 03.11.2017

Osterholzer Kreisblatt vom 06.11.2017

Zwischen Klamauk und Hintersinnigkeit

Bei seinem Gastspiel in der Stadthalle Osterholz-Scharmbeck fordert Bodo Wartke die Gehirne der Zuschauer

Osterholz-Scharmbeck. „Bravo“, schallt es durch die Stadthalle in Osterholz-Scharmbeck. Dann brandet Beifall auf, die Zuschauer trampeln aus Respekt. Bodo Wartke hat gerade sein neues Lied „Das Land, in dem ich leben will“ beendet. Es ist eine Art Generalabrechnung über die aktuelle Situation in der Welt. Während das Publikum den Künstler feiert, nimmt der einen Schluck aus seiner Teetasse. Der dürfte bereits kalt sein.

Seit fast drei Stunden steht die Kanne auf der Bühne. Die hat der Pianist Wartke mit seiner Partnerin Melanie Haupt kreativ und unterhaltsam gefüllt. Der kritische Text des Liedes trifft offenbar den Nerv der Zuschauer. Es sei im Internet als Download zu bekommen. „Den Erlös werde ich vollständig Amnesty International zur Verfügung stellen“, sagt Wartke. Es klingt ein wenig beiläufig und ehrlich.

Drei Zugaben später brodelt es in der Halle. Das Konzert – Oder ist es musikalisches Kabarett? – hat ein wenig gemächlich begonnen. Nachdenkliche Lieder stehen auf dem Programm. Was allerdings nicht heißt, dass es ernst zuginge. Dafür ist der wortgewandte Wartke nicht zu haben. Immer wieder streut er kräftig Humor ein. Dann nimmt die Vorstellung immer mehr Fahrt auf. Wartke und Haupt stimmen ihre Fans melancholisch ein, um im nächsten Moment auf Klamauk einzuschwenken. Schließlich kommt, was unvermeidbar scheint: Die Akteure werden mit Standing Ovations verabschiedet.

Es ist einer der Abende, an denen sich Künstler einfinden und die Kreisstadt für sich entdecken. Künstler, die sonst in angesagten Hallen aufwarten. Und mit ihnen stellen auch Besucher fest, dass es außerhalb von Bremen weitere Spielstätten gibt, deren Besuch sich lohnt. „Es ist hier schön klein und familiär. Und die Atmosphäre ist toll“, findet Nicola Prikratki. Die Bremerin hat die Tickets ihrem Mann Mirko zum Geburtstag geschenkt. Beide sind Fans von Bodo Wartke, haben das aktuelle Programm schon im Pier 2 gesehen. „Wir fanden die Vorstellung so gut, dass wir sie noch mal erleben wollten“, sagt Prikratki. Die Stadthalle kannten sie bislang noch nicht. Jetzt wollen sie das Programm im Auge behalten und wieder mal vorbeischauen.

Die Plätze in der voll bestuhlten Halle sind nahezu alle besetzt. Bodo Wartke dürfte noch mehr Besucher von außerhalb angezogen haben. „Das ist kein oberflächiges Gedudel“, lobt Mirko Prikratki. Wartke sei sehr tiefsinnig. Prikratki sucht nach einer passenden Formulierung. Dann sagt er: „Man wird bei dem Besuch seiner Konzerte sicher nicht dümmer.“ Tatsächlich fällt es schwer, den Musiker und Wortkünstler einzuordnen.

Der Mann aus Bad Schwartau beobachtet seine Umwelt genau und verarbeitet sie in seinen Liedtexten. „Ich suche aber keine Ideen. Sie suchen mich und kommen zu mir“, eröffnet er. Unterschiede zwischen Mann und Frau, Liebe, soziale Kälte und Fanatismus: Alles bekommt Platz in seinen Texten. Er untersucht Operntexte und verpasst der Rache-Arie aus der Zauberflöte einen neuen Inhalt. Dann erklärt Wartke kritisch, wie ein Gangster-Rap funktioniert oder spielt mit seiner Partnerin eine Szene aus Theseus‘ Kampf gegen den Minotaurus.

Hier wird Wartkes Sinn für Wortspiele deutlich. Als der Text auf das Labyrinth abhebt, verlässt Haupt plötzlich die Bühne, um einige Sekunden später wieder zu erscheinen. „Ich habe den Faden verloren“, entschuldigt sie sich. Antwort: „Das ist doch eine fadenscheinige Ausrede.“

„Das ist kein oberflächliches Gedudel.“
Mirko Prikratki, Besucher